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Bezugspunkte

Ein paar Thesen, Idden, Anregungen, Forderungen im Kontext des Projekts Veddel Anbau Nord

Praktische Übungen

Von Zeit zu Zeit eine Straße beobachten, vielleicht mit etwas systematischer Aufmerksamkeit. Sich dieser Beschäftigung hingeben. Sich Zeit lassen.

Den Ort aufzuschreiben: die Terrasse einer Kneipe in der Nähe der Kreuzung Bac-Saint-Germain

die Zeit aufschreiben: sieben Uhr abends

das Datum aufschreiben: 15. Mai 1973

das Wetter aufschreiben: schön

Aufschreiben, was man sieht. Was sich an Erwähnenswertem ereignet. Vermag man zu sehen, was erwähnenswert ist? Gibt es etwas, das uns auffällt? Nichts fällt uns auf. Wir vermögen nichts zu sehen.

Man muss behutsamer vorgehen, fast naiv. Sich zwingen, das zu schreiben, was ohne Bedeutung ist, was das Selbstverständlichste ist, das Allgemeinste, das Glanzloseste ist.

Aus: Georges Perec: Träume von Räumen, diaphanes, Zürich-Berlin 2016, S. 84/85.

Das Recht auf Begegnung und Versammlung

Gruppen, Klassen, Einzelpersonen aus dem „Städtischen“ auszuschließen, heißt auch, sie aus der Zivilisation, wenn nicht aus der Gesellschaft auszuschließen. Das Recht auf Stadt legitimiert die Weigerung, sich durch eine diskriminierende, segregierende Organisation aus der städtischen Wirklichkeit verdrängen zu lassen.

Dieses Recht des Bürgers (oder wenn man so will des „Menschen“) kündigt die unausweichliche Krise der auf Segregation gestützten und diese stützenden Zentren an: der Entscheidungs-, Reichtums-, Macht-, Informationszentren, die all jene in Vorstadträume abdrängen, die nicht an den politischen Privilegien teilhaben. Es bedingt auch das Recht auf Begegnung und Versammlung; [….]

Aus: Henri Lefebvre Das Recht auf Stadt, Edition Nautilus, Hamburg 2016, S. 216.

Selbstplanung

Als ich zum ersten Mal das Gebäude von Le Corbusier in Marseille sah, war ich begeistert. Drei Jahre später war ich wieder da und unterhielt mich mit den Bewohnern. Sie waren keineswegs glücklich. Sie hatten hier nicht die Möglichkeit, nach ihren eigenen Vorstellungen zu wohnen, meinetwegen auch ihren schlechten Geschmack anzubringen. Ja warum nicht, immerhin leben sie da. Meiner Ansicht nach ist es sehr wichtig, die Rolle des Architekten so weit wie möglich zu reduzieren. Wenn die Bewohne Fehler machen, ist es nicht so schlimm, so lange man so gestaltet, dass es nicht endgültig ist, sondern veränderbar.

Aus: Yona Friedmann: Technische Hilfeleistungen für maximale Freiheit. 'Instant Urbanism', Selbstplanung und Eigenbau. S. 144: J. Fezer, M. Heyden (Hg.): “Hier entsteht”, 2004